Der vorherrschende Mangel an Halbleitern beeinträchtigt weiterhin das Tagesgeschäft der Automobilindustrie. Während Hyundai, Tesla und Toyota ihre Auslieferungszahlen in den ersten drei Quartalen auf oder sogar über das Vor-Corona-Niveau von 2019 steigern können, haben Konzerne wie Renault, Volkswagen, General Motors, Daimler und Ford stärker mit der Chip-Knappheit zu kämpfen. Insgesamt erholen sich die Konzerngewinne (EBIT) aber ausnahmslos deutlich vom Vorjahr und erreichen im Zuge des Produktionsverlagerung auf margenträchtigere Fahrzeuge auf noch nie da gewesene Rekordwerte. Das sind die zentralen Ergebnisse der aktuellen AutomotivePERFORMANCEStudie des Center of Automotive Management (CAM), in der regelmäßig die Markt- und Absatztrends der globalen Automobilhersteller analysiert werden.
Die Absatzzahlen der ausgewählten globalen Automobilkonzerne haben sich innerhalb der ersten drei Kalenderquartale des Jahres 2021 im Vergleich zu den beiden Vorjahren sehr heterogen entwickelt. Insgesamt verzeichnet das Sample aus zehn Herstellern einen Absatzrückgang von 12,7 Prozent gegenüber dem Vorkrisen-Niveau von 2019, was der allgemeinen Entwicklung auf den globalen Automobilmärkten entspricht. Während Tesla (+97 Prozent), Toyota (+19 Prozent) und Hyundai (+19 Prozent) ihre Fahrzeugverkäufe gegenüber dem Pandemiejahr 2020 mitunter sehr deutlich steigern und an die Zahlen von 2019 anknüpfen können, weisen Hersteller wie Volkswagen (+3 Prozent), General Motors (+2 Prozent) und Daimler (+1 Prozent) entweder nahezu stagnierende oder im Fall von Ford (-4 Prozent) sogar weiterhin rückläufige Absätze gegenüber 2020 aus. Es zeigt sich, dass manche Automobilhersteller mit dem durch die Corona-Krise erstmals hervorgerufenen Halbleiter-Mangel besser zurecht kommen als andere.
Toyota kann sich dank starker Quartalszahlen mit fast 7,9 Millionen Fahrzeugen (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge) von Januar bis September 2021 gegenüber Volkswagen mit nur 6,5 Millionen verkauften Einheiten deutlich als absatzstärkster Automobilkonzern behaupten und erreicht fast das Absatzniveau von 2019. Hyundai kann trotz Chipkrise sogar mehr Pkws verkaufen als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019. Mit einem Absatz von nunmehr 5,4 Millionen Fahrzeugen überholt der Hyundai-Konzern den US-amerikanischen Wettbewerber General Motors. GM kann bis Ende September 2021 nur rund 4,8 Millionen Einheiten verkaufen, was nur leicht über dem Pandemiejahr 2020 liegt.
Der aus der Verschmelzung von Fiat-Chrysler und PSA entstandene Großkonzern Stellantis erreicht 4,3 Millionen Auslieferungen in den ersten drei Kalenderquartalen und liegt damit zwar 15 Prozent über dem Corona-Krisenjahr 2020, bleibt jedoch weiterhin erheblich unter dem Niveau von 2019. Unter den deutschen Premium-Herstellern setzt BMW mit 1,9 Millionen Pkw mehr Fahrzeuge ab als vor der Corona-Krise 2019 und kann sich damit auch gegenüber seinem Kernwettbewerber Daimler (1,7 Millionen Einheiten) durchsetzen. Der US-Hersteller Tesla geht als Absatzgewinner aus den beiden Krisenjahren hervor und knüpft an das bisherige Wachstum mit einer Verdopplung der ausgelieferten Fahrzeuge auf nunmehr rund 630.000 Stück an. Im Gesamtjahr 2021 könnte Tesla seine Auslieferungen auf 900.000 Pkw steigern, so das CAM.
Die Finanzergebnisse der globalen Automobilhersteller offenbaren bereits nach drei Kalenderquartalen, dass das Krisenjahr 2021 als neues Rekordgewinn-Jahr in die Geschichte der Automobilindustrie eingehen dürfte. So weisen die zehn betrachteten OEMs von Januar bis September 2021 mit kumuliert rund 96 Milliarden Euro bereits genauso viel Gewinn (EBIT) aus wie die 20 größten Hersteller im gesamten Kalenderjahr 2019 (etwa 95 Milliarden Euro). Die bestehende Halbleiter-Krise und der anhaltende Rohstoffmangel sorgen in diesem Zusammenhang für eine Produktionsverschiebung auf margenträchtige Fahrzeuge. Gleichzeitig haben die meisten Hersteller ihre Kostensituation deutlich verbessert, vor allem da aufgrund der hohen Kundennachfrage kaum Verkaufsförderungen (insb. Rabatte) gewährt werden.
„Die Automobilindustrie zeigt derzeit auffallend schizophrene Züge“
Mit einem Konzernergebnis von umgerechnet 18,7 Milliarden Euro erwirtschaftet der japanische Großkonzern Toyota den höchsten Gewinn, gefolgt von den deutschen Herstellern Daimler (14,5 Milliarden Euro; + 624 Prozent) und Volkswagen (14 Milliarden Euro; + 724 Prozent). Tesla erzielte im Gesamtjahr 2019 noch ein negatives EBIT von umgerechnet 62 Millionen Euro, kann sich aber bereits nach drei Quartalen im Jahr 2021 mit einem Gewinn von rund 3,3 Milliarden Euro gegenüber einem Traditionskonzern wie der Renault Group (2,8 Milliarden Euro) durchsetzen. Die Verkäufe von CO2-Zertifikaten haben mit einem Anteil von ca. 14 Prozent im 3. Quartal 2021 nur noch marginale Effekte auf das Konzernergebnis des US-Elektroautobauers.
Die Rekordgewinne der globalen Automobilhersteller zeigen sich auch in sehr hohen Gewinnmargen. Bei den betrachteten Konzernen hat sich die durchschnittliche EBIT-Marge nach drei Kalenderquartalen von 0,2 Prozent im Jahr 2020 auf 9,0 Prozent in der aktuellen Betrachtungsperiode erhöht. Selbst im Vor-Coronajahr 2019 lag die durchschnittliche Gewinnspanne der zehn betrachteten OEMs nur bei 4,8 Prozent.
Die höchsten Gewinne vor Steuern und Zinsen im Vergleich zum Konzernumsatz erzielen BMW (12,5 Prozent), Stellantis (11,8 Prozent) und Tesla (11,5 Prozent). Während Daimler (10,9 Prozent) und Toyota (10,4 Prozent) noch knapp über dem diesjährigen Durchschnitt liegen, fallen die US-Konzerne Ford (8,9 Prozent) und General Motors (8 Prozent) leicht und Volkswagen (6,7 Prozent) deutlich darunter. Hyundai ist neben Tesla der einzige Konzern, der über alle drei Perioden hinweg seine Marge kontinuierlich steigern konnte, wenngleich das vorläufige Geschäftsergebnis unterdurchschnittlich ausfällt. Die Renault Group kann ihre negative Marge aus dem Vorjahreszeitraum zwar deutlich verbessern, gehört mit geschätzten 2,8 Prozent aber weiterhin zu den Low-Performern.
Für das Gesamtjahr 2021 rechnet das CAM mit Rekordgewinnen der Branche. Die 19 wichtigsten Automobilhersteller kamen im Jahr 2019 gesamthaft auf ein EBIT von 95 Milliarden Euro, während im Jahr 2017 der bisher höchste Branchengewinn von 109,9 Milliarden Euro erzielt wurde. Das laufende Jahr wird laut CAM mit hoher Wahrscheinlichkeit das bisher beste Jahr in der Automobilgeschichte mit weit über 120 Milliarden Euro Gewinn.
„Die Automobilindustrie zeigt derzeit auffallend schizophrene Züge: Einerseits stockt durch Chipkrise und Rohstoffmangel branchenweit die Fahrzeugproduktion und der Automobilabsatz. Allein in Deutschland liegt die Pkw-Produktion bis Ende Oktober 2021 um 36 Prozent unter dem Vor-Pandemiejahr 2019“, sagt Studienleiter Stefan Bratzel. „Anderseits können die Hersteller hohe Preise für ihre Neu- und Gebrauchtwagen durchsetzen, was teils zu zweistelligen Renditen führt. Nach Gewinnen wird 2021 als das bislang beste Jahr in die Annalen der Automobilbranche eingehen.“
Quelle: CAM – Pressemitteilung vom 03.11.2021