Mit drastischen Worten mahnt Yann Vincent, dass das von ihm geleitete europäische Batterieprojekt Automotive Cell Company (ACC) zum Erfolg verdammt ist: „Wenn wir das nicht schaffen, ist die europäische Autoindustrie tot“, sagte er in einem Interview mit dem Handelsblatt. Am Geld sollte es nicht scheitern, schließlich sind an dem internationalen Gemeinschaftsunternehmen ACC mehrere milliardenschwere Konzerne beteiligt: Jeweils ein Drittel gehören dem Opel-Mutterkonzern und insgesamt 14 Marken umfassenden Autoriesen Stellantis, dem deutschen Autohersteller Daimler sowie dem französischen Öl- und Gaskonzern Total. Ihr Plan: Die europäische Automobilindustrie mit vor Ort produzierten Batteriezellen unabhängiger von der aktuell herrschenden Übermacht asiatischer Zellhersteller zu machen.
ACC-Chef Vincent ist überzeugt, dass das auch von der EU-geförderte Projekt tatsächlich ein Erfolg wird: „Wir haben die Technologie, die Strategie, und wir haben die Stärken unserer Anteilseigner“, erklärt er. Die Total-Tochter Saft etwa habe „schon jahrelange Erfahrung im Bereich Batterieproduktion“, von der nun auch ACC profitieren könne. Auch Stellantis und Daimler bringen viel Kompetenz und Wissen mit. Mit diesem Paket „können wir die Aufholjagd vielleicht gewinnen“, so Vincent.
Die aktuell größte Herausforderung sei der Preis für die Stromspeicher: Sie machen etwa 30 bis 40 Prozent der Gesamtkosten eines Elektroautos aus, bzw. etwa „10.000 bis 15.000 Euro mehr als ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor“, wie Vincent vorrechnet. Das dürfte auch noch eine Weile so bleiben. Aber immerhin wolle ACC mit seinen Zellen „definitiv“ nicht teurer sein, als die Konkurrenz aus Asien.
Allerdings bauen auch die asiatischen Hersteller bereits Produktionskapazitäten in Europa auf. Es werde also kein einfaches Unterfangen, ihnen gegenüber aufzuholen. „Aber es wird nicht so einfach für sie, ihre Produkte in Europa herzustellen, wie es das in Südkorea oder China ist“, wirft Vincent ein. Denn auch die Asiaten stehen in Europa „vor denselben Herausforderungen wie wir, und deswegen sind wir auch nicht im Rückstand“. Vincent warnt die Unternehmen aus Autoindustrie eindringlich davor, sich in zu tiefe Abhängigkeiten von Herstellern aus Asien zu verstricken: „Das ist für sie ein sehr hohes Risiko, für ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit für ihre Zukunft“.
Konkret plant ACC, Ende 2023 „mit der Produktion in unserer Fabrik in Douvrin im Norden Frankreichs und ein Jahr später in Kaiserslautern“ zu starten. Zunächst war geplant, bis 2030 eine Kapazität von 38 Gigawattstunden an Batteriezellen pro Jahr aufbauen. „Mit Daimler an Bord peilen wir jetzt eine Kapazität von 120 Gigawattstunden an“. Die Stuttgarter sind erst vor wenigen Wochen bei ACC eingestiegen. Falls die 120 Gigawattstunden mit den zwei genannten Fabriken nicht zu schaffen sind, könnten auch „ein oder zwei Fabriken mehr dazukommen“, so der ACC-Chef. Es sei gut möglich, dass dafür bestehende Produktionswerke von Autoherstellern umgebaut werden: In Zukunft werde es durch den Umschwung auf die E-Mobilität in den Werken der Autohersteller „deutlich weniger Aktivität geben“, sagt Vincent voraus. „Eine Batterieproduktion an demselben Standort wäre also die Lösung für so ein Problem.“
Auch das Recycling habe man bereits im Blick, schließlich wird es mittelfristig eine sehr ergiebige Rohstoffquelle sein: „Recycling wird die neue ‚Mine‘“, umschreibt Vincent den Wertstoffkreislauf: „Wir könnten mehr als 95 Prozent unserer Schlüsselrohstoffe aus unseren eigenen Zellen recyceln“, sagt er. Im Moment sei die Technologie noch nicht so relevant. „Aber wenn die aktuellen Batterien in 15 Jahren am Ende ihres Lebenszyklus sind, reden wir von sehr großen Mengen“.
Quelle: Handelsblatt – ACC-CEO über Batteriezellen-Produktion in Europa: „Wenn wir das nicht schaffen, ist die europäische Autoindustrie tot“