Das Bundeskabinett hat vor wenigen Tagen mit einigen Monaten Verspätung die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Wasserstoff gilt als entscheidend für die Dekarbonisierung wichtiger deutscher Kernbranchen wie der Stahl- und Chemieindustrie, aber auch in manchen Bereichen des Verkehrssektors. Zugleich können sich Wasserstofftechnologien zu einem zentralen Geschäftsfeld der deutschen Exportwirtschaft entwickeln. Zur konsequenten Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie soll nun eine flexible und ergebnisorientierte Governance-Struktur geschaffen werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Einrichtung eines Nationalen Wasserstoffrates, dessen Mitglieder vom Bundeskabinett ernannt wurden.
„Mit der Wasserstoffstrategie stellen wir die Weichen dafür, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird. Die Zeit für Wasserstoff und die dafür nötigen Technologien ist reif. Wir müssen daher jetzt die Potenziale für Wertschöpfung, Beschäftigung und den Klimaschutz erschließen und nutzen. Denn Wasserstoff wird ein Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende sein. Er wird als Energieträger der Zukunft sowohl in Deutschland als auch weltweit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dabei wird Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen, wie wir es vor 20 Jahren bereits mit der Förderung der Erneuerbaren Energien getan haben.“ — Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Eine erfolgreiche Energiewende bedeutet die Kombination von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit mit innovativem und intelligentem Klimaschutz, so das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in einer aktuellen Mitteilung. Dafür brauche es alternative Optionen zu den derzeit noch eingesetzten fossilen Energieträgern. Wasserstoff bekomme hier eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende. Denn er ermögliche es, mit Hilfe erneuerbarer Energien die CO2-Emissionen vor allem in Industrie und Verkehr deutlich zu verringern.
Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) schafft die Bundesregierung einen kohärenten Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff und damit für entsprechende Innovationen und Investitionen. Sie definiert die Schritte, die notwendig sind, um zur Erreichung der Klimaziele beizutragen, neue Wertschöpfungsketten für die deutsche Wirtschaft zu schaffen und die internationale energiepolitische Zusammenarbeit weiterzuentwickeln.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die NWS insbesondere folgende Ziele:
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- Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende etablieren, um mit Hilfe erneuerbarer Energien Produktionsprozesse zu dekarbonisieren
- Die regulativen Voraussetzungen für den Markthochlauf der Wasserstofftechnologien zu schaffen
- Deutsche Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem Forschung und Entwicklung und der der Technologieexport rund um innovative Wasserstofftechnologien forciert werden
- Die zukünftige nationale Versorgung mit CO2-freiem Wasserstoff und dessen Folgeprodukte sichern und gestalten
Ausführliches über die in der Wasserstoffstrategie festgehaltenen 38 Maßnahmen ist in diesem ausführlichen PDF nachzulesen
„Die Nationale Wasserstoffstrategie wird Deutschland doppelten Schub verleihen – für den Klimaschutz und für die nachhaltige Erholung unserer Wirtschaft nach der Corona-Krise. Grüner Wasserstoff bietet uns die Chance, Klimaschutz in den Bereichen voranzubringen, wo wir bisher noch keine Lösungen hatten, zum Beispiel in der Stahlindustrie oder im Flugverkehr. Das funktioniert, weil die Strategie vor allem auf die Förderung von „grünem Wasserstoff“ ausgerichtet ist. Dafür habe ich mich stark gemacht, denn gut fürs Klima ist auf Dauer nur Wasserstoff aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. Klar ist damit auch: Wer Ja sagt zu Wasserstoff, muss auch Ja sagen zu Windenergie. Für grünen Wasserstoff brauchen wir zusätzlichen grünen Strom. Deswegen müssen und werden wir die erneuerbaren Energien konsequent ausbauen. Grüner Wasserstoff bietet die Chance, Klimaschutz mit nachhaltiger Industrie zu verbinden, also zukunftsfeste und krisenfeste Jobs zu schaffen.“ — Svenja Schulze, Bundesumweltministerin
„Wir brauchen Wasserstoff auch im Verkehrsbereich“, sagt Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Sein Ministerium beschäftige sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit der Wasserstofftechnologie und habe bereits mehr als 700 Millionen Euro vor allem in die Forschung und Entwicklung investiert. „Jetzt brauchen wir wirtschaftliche Projekte auf dem Markt. Wasserstoff muss für die Menschen erlebbar werden“, so Scheuer. Genau an dieser Stelle setze die Strategie an und nehme die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick – Technologie, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Anwendung in Fahrzeugen. Mit den HyLand-Projekten werden bereits in einzelnen Regionen Standorte für die Wasserstofftechnologie von der Erzeugung bis zur Nutzung vor Ort aufgebaut. Dies müsse im nächsten Schritt jetzt bundesweit geschehen, so der Verkehrsminister. „Zusätzlich werden wir ein Wasserstoff-Anwendungs- und Technologie-Zentrum für die Zulieferindustrie sowie eine eigene Brennstoffzellproduktion in Deutschland unterstützen und aufbauen. Das bietet eine Zukunftsperspektive für die deutsche Fahrzeugindustrie und sichert viele Arbeitsplätze.“
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, sagt, „dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu einem neuen Jobmotor in Deutschland“ werden kann. Deutschland brauche eine nachhaltige Energieversorgung aus erneuerbaren Energien, wenn wir bis 2050 klimaneutral sein wollen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, bekräftigt, dass der Klimawandel „längst die Überlebensfrage der gesamten Menschheit“ geworden ist. „Mit der Wasserstoffstrategie machen wir einen Quantensprung hin zu CO2-neutralen, Kraftstoffen und damit zu einer globalen Energiewende.“ Grüner, nachhaltig erzeugter Wasserstoff und seine Folgeprodukte wie Methanol „können das saubere Öl von morgen werden“. Vor allem Länder in Nordafrika seien geeignete Produktionsstandorte, da hier die Sonne nahezu unbegrenzt scheint. Gemeinsam mit Marokko entwickle Deutschland bereits die erste industrielle Anlage für Grünen Wasserstoff in Afrika. „Damit schaffen wir dort Arbeitsplätze für die vielen jungen Menschen, stärken die Technologieführerschaft in Deutschland und helfen, die internationalen Klimaziele wirksam zu erreichen.“
„Elektromobilität ist wesentlich effizienter und damit die klimaverträglichere Lösung“
„Die nach langen Diskussionen nun beschlossene Wasserstoffstrategie enthält viele Verbesserungen und greift wichtige Bedenken und Anregungen auf. Zentraler Punkt ist, dass die Bundesregierung sich klar für grünen Wasserstoff ausspricht, der ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Nur so ist Wasserstoff CO2-frei und unterstützt das Ziel der Treibhausgasneutralität. Entsprechend dürfen auch nur hierfür Fördergelder eingesetzt werden“, kommentiert Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, die Nationale Wasserstoffstrategie.
Da für die Wasserstoffproduktion enorme Strommengen benötigt werden, müsse der Anteil der erneuerbaren Energien für die inländische Wasserstoffproduktion erheblich ausgeweitet werden, so der VCD-Sprecher weiter. Nur durch den zusätzlichen Ausbau von Windkraft und Photovoltaik könne Wasserstoff einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Klar sei aber auch: „Der Großteil wird importiert werden müssen. Für Produktion und Transport braucht es ambitionierte Nachhaltigkeitskriterien“. Auch in den Erzeugungsländern müsse sichergestellt werden, dass die Energiewende vor Ort nicht durch die Wasserstoffproduktion behindert wird. Die Bundesregierung müsse rasch entsprechende Kriterien verabschieden, damit nicht die gleichen Fehler wie bei der Biokraftstoffproduktion begangen werden.
Im Verkehrsbereich sei der Einsatz von Wasserstoff nur eine begrenzte Option zur Treibhausgasminderung. „Er sollte nur dort eingesetzt werden, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist, etwa für synthetische Kraftstoffe im Flugverkehr“, so Müller-Görnert weiter. Die Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen im Straßenverkehr hingegen sei ineffizient und teuer. „Mit der gleichen Strommenge, die ein mit synthetischen Kraftstoffen betriebener Pkw 100 Kilometer weit fährt, kommt ein Elektroauto auf die fünf- bis sechsfache Strecke. Die Elektromobilität ist wesentlich effizienter und damit die klimaverträglichere Lösung.“
„Darauf müssen wir aufbauen und in der Umsetzung Tempo machen“
„Es ist gut, dass die lange erwartete Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung nun endlich vorliegt. Sie formuliert wichtige Grundlagen für die Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Wärmesektor mit gasförmigen Energieträgern. Darauf müssen wir aufbauen und in der Umsetzung Tempo machen“, kommentiert Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Die Energiebranche begrüße, dass alle Anwendungssektoren in der Strategie grundsätzlich erwähnt werden. Gerade mit Blick auf den Wärmemarkt allerdings „werden Potenziale verschenkt.“ Das sei „umso bedauerlicher, als dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft eine Chance für alle Sektoren ist, um Treibhausgasemissionen zu senken – vom Hochofen bis zum Heizkessel. Im Wärmemarkt ermöglichen steigende Anteile erneuerbarer und dekarbonisierter Gase bezahlbaren Klimaschutz.“ Nur ein möglichst breiter und technologieoffener Ansatz garantiere einen umfassenden Markthochlauf, stetig wachsende Beiträge zum Erreichen der Klimaschutzziele sowie die Zukunftsfähigkeit der Gasinfrastruktur.
Wichtig sei jetzt, dass die Bundesregierung die in der Wasserstoffstrategie geplanten Maßnahmen zeitnah umsetze. Dies sei nicht nur erforderlich, um die Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr und Wärme voranzubringen, sondern auch, um Investitionen in neue Technologien auszulösen. „Mit Blick auf erneuerbaren Wasserstoff müssen hierfür die immer noch bestehenden Hemmnisse beim Ausbau der regenerativen Stromerzeugung beseitigt werden“, sagt Andreae.
Beim Start in die Wasserstoffwirtschaft nehme die Energiewirtschaft eine ganz entscheidende Rolle ein – von der Erzeugung über den Transport in Gasleitungen bis hin zur Nutzung in den verschiedenen Anwendungen. Die Energiewirtschaft engagiert sich bereits heute in vielen Power-to-Gas Projekten zur Erzeugung von erneuerbarem und dekarbonisiertem Wasserstoff sowie zahlreichen Forschungsprogrammen. Daher sollte bei der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie der Blick auf energiewirtschaftliche Zusammenhänge gewahrt bleiben. Der BDEW will in Kürze eine Roadmap Gas veröffentlichen, in der die Vorstellungen der Energiewirtschaft für eine Wasserstoffwirtschaft dargelegt werden.
Auch auf europäischer Ebene müsse das Thema Wasserstoff weiter vorangetrieben werden. „Um Importpotenziale erschließen zu können, ist eine frühzeitige Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union wichtig. Die Bundesregierung sollte in ihrer EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte daher den Aufbau eines europäischen Wasserstoffprojektes forcieren.“ Dazu gehöre vor allem eine einheitliche Definition von grünen und dekarbonisierten Gasen und die Schaffung eines Handelssystems für diese Produkte, inklusive eines EU-weiten, transparentes Nachweissystems. Der BDEW erarbeitet hierzu bereits Vorschläge.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie — Pressemitteilung vom 10.06.2020 // VCD — Pressemitteilung vom 10.06.2020 // BDEW — Pressemitteilung vom 10.06.2020