Rot-gelb-grün: Im neuen Bundestag haben SPD, FDP und Grüne die Mehrheit. Die letzten Koalitionsgespräche über eine Ampel-Regierung neigen sich so langsam dem Ende. Ein Fokus der Verhandlungen liegt auf der zukünftigen Entwicklung des Verkehrssektors: „Wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen und dafür den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur massiv beschleunigen”, heißt es in den Sondierungspapieren. Ein generelles Tempolimit ist übrigens (vorerst) vom Tisch. Klar ist: Alle drei Parteiprogramme zielen auf eine Richtung ab: die Verkehrswende. Wir haben uns die Pläne genauer angeschaut.
Annalena Baerbock (40, Bündnis 90/Die Grünen), Olaf Scholz (63, SPD) und Christian Lindner (42, FDP) planen tiefgreifende Veränderungen, die zukünftig gemeinsam umgesetzt werden sollen. In den laufenden Koalitions-Verhandlungen geht es vor allem auch über den EU-Klimaplan “Fit for 55”, bei dem die Vorschläge der EU-Kommision unterstützt werden sollen. Im Grunde genommen geht es um deutlich mehr Anstrengungen, was den Klimaschutz angeht. Hierzu gehört auch die Decarbonisierung des Verkehrssektors. So sollen ab dem Jahr 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Die Grünen würden sogar noch einen Schritt weiter gehen, wenn man sich das Wahlprogramm mal zu Gemüte geführt hat: Der Fahrradverkehr soll gestärkt, das Auto zumindest aus den Innenstädten weitgehend verbannt werden. Autoparkplätze sollen einfach in Fahrradparkplätze umgewandelt, zudem eine Citymaut eingeführt werden. Wenn es nach Baerbock geht, würden schon ab dem Jahr 2030 keine Verbrenner in Deutschland mehr zugelassen werden. Die Höhe einer Auto-Förderung soll nach Klimafreundlichkeit gestaffelt werden. Für die Umrüstung von Verbrenner auf E-Antrieb soll es ebenfalls Geld geben. Weiter geht aus den Plänen hervor, dass es auf dem Land mehr Carsharing-Angebote geben soll. Deutschland soll zum Fahrradland werden, aber auch die SPD und FDP haben noch mehrere Wörtchen mitzureden …
Zu einem zukünftigen Fahrverbot von Diesel oder Verbrennern äußert sich Scholz mit der SPD nicht. Auch hier ging aus dem Wahlprogramm hervor, dass Elektroautos stark gefördert werden sollen. Darüber hinaus sieht die SPD die Brennstoffzelle als wichtiges Antriebskonzept für den Schwerlastverkehr. Bis 2030 soll Deutschland zum Leitmarkt dieser Technologie aufsteigen. Grundsätzlich ist die Politik von SPD ebenfalls geprägt von “weniger Autos, mehr Fahrräder” auf unseren Straßen. Und die FDP? Spricht von “einer innovativen, ökologischen und bezahlbaren Mobilität, eine zukunftsweisende Verkehrspolitik ohne ideologische Scheuklappen. Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote sind weder progressiv noch nachhaltig”, heißt es im Programm der Gelben. Und weiter: “Durch die von uns geforderte Ausweitung des CO2-Emissionshandels werden sich umwelt- und klimafreundliche Motoren und alternative Kraftstoffe durchsetzen, weil sie gegenüber emissionsstarken Produkten günstiger werden. Ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren lehnen wir ab.” Lindner sieht Einschränkungen des Individualverkehrs als unsinnig an. Intelligente und innovative Verkehrslenkung biete hingegen enorme Möglichkeiten, den Verkehr vor allem in Innenstädten zu entspannen.
Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die drei Parteiprogramme ergänzen werden und was tatsächlich umgesetzt wird. Nicht von der Hand zu weisen ist der Fakt, dass Schulden – wenn es nach allen Parteien geht – minimiert werden sollen. Das gelinge etwa mit einer erneuten Steuererhöhung. Um trotzdem Geld für Investitionen zur Verfügung zu haben, muss an anderer Stelle gespart werden, heißt in einem Bericht der Welt: „Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir den Haushalt auf überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben überprüfen“, heiße es im Sondierungspapier. Dies könnte auch Subventionen der Autoindustrie betreffen, meint Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Vor allem Grüne und FDP könnten sich damit auch auf ein Ende der Förderung von Plug-in-Hybriden einigen.
„Klimaschutzziele erreichen, ohne die Bevölkerung zu überfordern”
An einen jetzt zu verhandelnden Koalitionsvertrag hat der ADAC klare Erwartungen. So sieht der Automobilclub laut einer aktuellen Pressemitteilung eine der größten Herausforderungen darin, Klimaschutzziele zu erreichen, ohne die Bevölkerung zu überfordern oder Mobilität unverhältnismäßig einzuschränken. Dabei ist auch für den ADAC klar, dass Klimaschutzziele erreicht werden müssen. Deshalb müsse es jetzt darum gehen, die Verbesserung des Angebots an klimaneutraler Mobilität zu beschleunigen und bei Anpassungen im Abgabensystem immer die finanzielle Gesamtwirkung auf die Verbraucher im Blick zu behalten. Das schriftlich festgehaltene Ergebnis der Sondierungsgespräche lasse Aussagen zur zukünftigen Entwicklung des CO2-Preises und zur konkreten Ausgestaltung des angekündigten Subventionsabbaus offen. Es sei zu hoffen, dass das Bewusstsein aller Verhandlungspartner für finanzielle Belastungsgrenzen der Verbraucher gestiegen sei und die Maßnahmen jenseits von Kostensteigerungen und Verboten im Fokus der weiteren Verhandlungen stehen werden, so ADAC-Verkehrspräsident Hillebrand: „Mobilität und Klimaschutz dürfen kein Widerspruch sein. Niemand darf über steigende Kosten von der Möglichkeit ausgeschlossen werden, mobil zu sein. Ich hoffe und gehe angesichts der aktuellen Spritpreissteigerung davon aus, dass ein noch schneller ansteigender CO2-Preis vom Tisch ist.“
Für viele Verbraucher fehlten noch Alternativen zum Pkw beziehungsweise zu fossilen Antriebsenergien, mit denen die Menschen emissionsarm unterwegs sein können. Die Pläne der Parteien zu Investitionen in Ladeinfrastruktur, öffentlichen Verkehr und Digitalisierung sowie zur Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum lassen den Willen erkennen, auf dem Weg zu klimaneutraler Mobilität weiter voran zu kommen. Dass dies Zeit benötige und die Umsetzung beschleunigt werden müsse, lasse das Sondierungspapier deutlich erkennen. Trotz eines ambitionierten Hochlaufs der Elektromobilität würden 2030 noch mindestens 30 Millionen Pkw-Bestandsfahrzeuge mit Diesel- oder Ottomotor in Deutschland unterwegs sein, erklärt der ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze: „Ohne eFuels werden diese nicht CO2-reduziert genutzt und perspektivisch klimaneutral betrieben werden können.“ Weltweit gehe es um 1,5 Milliarden Fahrzeuge mit herkömmlichem Verbrennungsmotor. „eFuels können eine globale Lösung für eine globale Herausforderung sein“, so Schulze weiter. So sollte die Produktion regenerativer Energie in Deutschland forciert und eine Importstrategie für klimaneutrale Kraftstoffe auch für den Pkw-Verkehr definiert werden.
Quellen: ADAC, Welt.de, Wahlprogramme von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP