Oliver Zipse, seit 2019 Vorstandsvorsitzender der BMW AG, sprach mit der Augsburger Allgemeinen ausführlich über aktuelle und kommende Elektroautos des Münchner Autoherstellers, warum er nicht findet, dass die deutsche Autoindustrie die Elektromobilität verschlafen habe und was seiner Meinung nach die größte Herausforderung für den anstehenden Hochlauf von E-Autos ist.
In puncto Nachhaltigkeit sei bei BMW „die Basis das Pariser Klimaabkommen für 2050“. Dies sei ein sehr langer Zeitraum und „keiner der heute Handelnden wird da noch im Amt sein“, sagt Zipse. Die ersten Schritte hin zu klimaneutraler Mobilität „müssen aber jetzt erfolgen“, so der BMW-Chef, der dabei „Schritt für Schritt“ vorgehen möchte. BMW habe sich deshalb auch „ganz konkrete Klimaziele schon bis 2030 gesetzt“. Denn „Klimaschutz ist jetzt relevant und nicht erst übermorgen“.
Bis 2023 werde BMW „25 elektrifizierte Modelle auf der Straße haben – die Hälfte davon vollelektrisch wie etwa den 7er, den 5er oder den X1 und den BMW iX sowie den i4“. Auch den Mini gibt es bereits als Elektroauto, der i3, eingeführt 2013, „ist und bleibt der Pionier für diese Offensive und wird jetzt im achten Jahr produziert.“ So lange sei bei BMW „noch nie ein Auto gelaufen“. Der beliebte Kompaktstromer verkaufe sich „immer besser, auch wenn es in diesem Jahr Corona-bedingt natürlich leichte Einbußen gegenüber 2019 gab.“ Zipse preist den i3 als „ideal für die Großstadt“ an und verweist auf seinen sparsamen Verbrauch: Bis heute sei der i3 „eines der Elektroautos, die am wenigsten Strom auf 100 Kilometer benötigen“. Der i3 sei trotz seines hohen Modellalters „noch nicht am Ende seines Lebenszyklus angekommen“ und werde „uns noch weiter begleiten, solange die Kunden Interesse zeigen“, sagt Zipse. BMW baue „ihn also weiter“.
„Wir sind nicht zu spät dran mit E-Autos, wir starten genau zum richtigen Zeitpunkt durch“
Auf verpasste Chancen bei der Elektromobilität angesprochen sagt Zipse, dass die Hersteller „schon seit vielen Jahren“ wissen, „dass es erst in diesem Jahr mit der Elektromobilität richtig losgeht“, was „eine Folge der erst in diesem Jahr einsetzenden nächsten Stufe der EU-Flottengesetzgebung“ sei. Deswegen kommen erst jetzt „die entsprechenden Fahrzeuge auf den Markt“ , so der BMW-Chef. Kein Hersteller könne „es sich leisten, Autos in den Markt zu bringen, die zu Ladenhütern werden“, begründet Zipse das lange Zögern, E-Autos in hohen Stückzahlen zu fertigen und zu verkaufen. „Wir sind nicht zu spät dran mit E-Autos, wir starten genau zum richtigen Zeitpunkt durch“, findet der BMW-Chef.
BMW habe „den Elektro-Trend keineswegs verschlafen“, sagt Zipse. Der Hersteller habe die vergangenen Jahre genutzt, um sich gezielt auf den Markthochlauf vorzubereiten, etwa indem Werke so umgebaut wurden, „dass dort – je nach Kundennachfrage – auch Elektroautos gebaut werden können“. BMW könne „bereits 2022 in allen vier deutschen Automobilwerken reine Elektroautos fertigen“.
Ausbau der Ladeinfrastruktur eine „ganz zentrale Herausforderung“
BMW wolle nun „die Elektro-Schlagzahl deutlich erhöhen“, sagt Zipse: In den Jahren 2021 bis 2023 sollen „zusätzlich eine Viertel Million mehr Elektroautos“ gebaut werden als ursprünglich, bereits „alles andere als konservativ“ geplant. BMW wolle seinen „Anteil elektrifizierter Fahrzeuge am Absatz sogar mehr als verdoppeln – von etwa acht Prozent in diesem Jahr auf rund 20 Prozent in 2023.“
Eine „ganz zentrale Herausforderung“ sei nun der Ausbau der Ladeinfrastruktur. „In Deutschland sollen 2030 rund sieben bis zehn Millionen elektrifizierte Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein“, beginnt Zipse seine Beispielrechnung. „Weil jedes Auto geladen werden muss, bräuchte man insgesamt etwa acht bis elf Millionen Ladepunkte“, so der BMW-Chef, „davon eine Million öffentliche. Für diese Größenordnung müsste man ab heute jede Woche 15.000 private und etwa 1300 öffentliche Ladepunkte in Betrieb nehmen“, sagt er. Davon sei Deutschland „leider weit entfernt“. Seine „größte Sorge“ sei also „in der Tat, dass unsere Elektroauto-Offensive durch den mangelnden Ausbau der Ladeinfrastruktur gebremst wird.“ Er fordert deshalb als eine „große Gemeinschaftsaktion in Europa, die Ladeinfrastruktur auszubauen.“
Quelle: Augsburger Allgemeine – BMW-Chef Oliver Zipse: „Wir erhöhen deutlich die Elektro-Schlagzahl“