Maßgeschneiderte Elektro-Mobilität für die Wirtschaft hat einen Namen: StreetScooter. Zumindest nimmt der gleichnamige Anbieter diese Aussage für sich in Anspruch. Seine Innovationsphilosophie lautet: Am Anfang steht der Bedarf. Am Ende die Lösung. Klingt gut, aber stimmt das? Die Historie des Newcomers am Automarkt wird es zeigen.
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Wer steckt dahinter? Wie ist es möglich, von einem flächendeckendes „All Inclusive-Paket für ganz Deutschland“ zu sprechen, ohne den Mund dabei zu voll zu nehmen? Kann es sein, dass ein völlig Unbekannter alle anderen renommierten Unternehmen aus dem Rennen um elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge wirft? Wo ist der Haken? Wir schauen, was dahintersteckt.
Die Anfänge von StreetScooter
Die Deutsche Post trifft zweifellos bundesweit die Pflicht, eine immense Anzahl an Kilometer kraftfahrzeugbetrieben zurückzulegen. Jedes Jahr aufs Neue. Sie ist damit eines jener Unternehmen, deren Mobilitätsabläufe sich hinsichtlich Schadstoffe in Summe ordentlich zu Buche schlagen. Einsparung von Emissionen in diesem Unternehmen damit ebenso. Das war die Fragstellung.
Die Antwort aus dem Umfeld der Aachener Universität, der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule, lautete: Die Konstruktion des ersten StreetScooters. Hierzu wurde ein privatwirtschaftlich organisiertes Forschungsprojekt umgesetzt. Wie sich zeigte, mit Erfolg.
Der Betrieb wurde 2010 von Achim Kampker und Günther Schuh gegründet. Bereits ein Jahr später wurde der Prototyp „Compact“ präsentiert. In den Folgejahren lernte die interessierte Fachwelt den Prototyp „WORK“ kennen. Nach erfolgreicher Umsetzung, teilweise mit einem Multimaterial-3D-Drucker, und der 2013 erteilten Betriebserlaubnis nahm die Entwicklung ihren Lauf: Elektro-Nutzfahrzeuge und Lasten-Pedelecs in unterschiedlichen Größen kamen anfänglich in Aachen und Dresden zum Einsatz. Eine der ersten Kunden waren die Stadt Aachen, die Städteregion Aachen und die Sparkasse Aachen. Also ein Renommee bei den Referenzen, von Anfang an.
Plötzlich Marktführer
Mit 10.000 verkauften Elektro-Nutzfahrzeugen ist StreetScooter heute Marktführer in Deutschland. 2014 wurde die StreetScooter GmbH von der DPDHL als 100%ige Tochter übernommen, welche 2015 die Serienproduktion startete. Mit anderen Worten: Die Deutsche Post kaufte das gesamte Unternehmen auf, welches weiterhin als „StreetScooter GmbH“ arbeitet. Vorangegangen ist der gescheiterte Versuch der Deutschen Post, ein derartiges Projekt mit einem Automobilerzeuger zu versuchen. Klingt beinahe ironisch, aber zeigt auf, wie die Realität oft eigentlich logische Erwartungshaltungen überlagert.
Die Produktionszahlen der Neuen stiegen an. Seit dem Jahr 2017 bedient man im Drittkundenvertrieb einen neuen Absatzkanal. Mittlerweile zählt zu den Kunden etwa auch die Deutsche See. In derselben Zeit begann das Unternehmen mit der Verwendung von Feinstaubpartikel-Filter von Mann & Hummel, womit Reifen-; Brems und Straßenabrieb aufgefangen wird. Ein weiterer Emissionsbonus gegenüber anderen.
2018 eröffnete in Düren eine zusätzliche Produktionsstätte. Der Sitz befindet sich nach wie vor in Aachen. Beinahe zeitglich begann die Serienproduktion von „WORK XXL“. Zeitgleich sind bei der Deutschen Post mittlerweile 8.000 StreetScooter im Einsatz. Die Varianten „E-Bikes“ und „E-Trikes“ belaufen sich zusammen auf 3.200 Stück. Gefördert wurde das Projekt mit zehn Millionen Euro seitens des Bundesumweltministeriums.
Was sagt die Öko-Bilanz?
Resümee: 23.000 Tonnen CO2-Ersparnis pro Jahr. Diese ergeben sich aus 35 Millionen gefahrene Kilometer innerhalb 12 Monaten. Das beeindruckt auch andere, denn mittlerweile finden sich bereits mindestens zehn StreetScooter auch auf Österreichs Straßen – so lauteten die Zahlen zum Jahresbeginn 2018.
Die GLS Bank und Como Leasing erarbeiteten gemeinsam mit der DPDHL Group ein Finanzierungs- und Vertriebsprojekt. Ein Tochterunternehmen von BMW, die Alphabet Fuhrparkmanagement GmbH, kooperiert ebenfalls und man setzt nunmehr auch maßgeschneiderte Leasingmöglichkeiten um.
Manchmal geht es also wirklich andersherum. Die Post weiß, was benötigt wird. Die Forschung wurde gezielt eingesetzt. Diesem Credo verpflichtet sich neueste Technik unter dem Namen StreetScooter auch gegenüber anderen. Die eigene Geschichte macht dies glaubwürdig. Sicherheit und Kundenorientierung schaffen das Ergebnis.
StreetScooter: Was können diese Nutzfahrzeuge?
Branchenorientierte Komplettangebote stehen vor allem für Logistiker, Flottenmanager, Kühltransporte im Ballungsraum, Entsorger, Garten- und Landwirtschaftsbau sowie Wartungs- und Montageteams in Form von Komplettlösungen parat. Mit Kauf oder Leasing. Der Flexibilität wird auch hier Rechnung getragen – jedem wird seine Unternehmenspolitik gegönnt. Jedem sein regionaler Ansprechpartner. Jedem seine herzeigbare Emissionsbilanz. So geht Wirtschaft von morgen.
Die Antwort darauf, was die StreetScooter können, ist ebenfalls immer eine andere. Maßgeschneidert eben. Mit der Zuschreibung „mobile Werkzeuge“ lässt sich dem Erfinder zufolge noch die beste Konkretisierung erzielen. Eine zielgetreue Umsetzung bedeutet tatsächlich, die operativen Arbeitsabläufe emissionsfrei zu optimieren.
Gibt es ein Contra?
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es tatsächlich: Kritik hagelte es anfänglich von der eigenen Belegschaft. So soll die Heizung der E-Fahrzeuge nach schon 70, anstatt nach der versprochenen 100 km ausgefallen sein. Vermutlich fühlten sich die Postler als Versuchskaninchen und mussten die ersten Gehversuche der StreetScooter in Kinderschuhen ausbaden. Mag sein. Der Betrieb bestritt das allerdings.
Mittlerweile dürfte das Problem jedenfalls gelöst sein, denn erstens wären die Stimmen andernfalls nicht verhallt und zweitens hat das Unternehmen gegenüber den Käufern gegenüber geradezustehen. Und man sitzt nach wie vor an der Quelle der Innovation – wer sonst würde die Anfangs-Wehwehchen besser in den Griff bekommen als StreetScooter selbst?
Die Deutsche Post als Autohersteller der Zukunft?
Mitte 2018 stellte der Postchef, Frank Appel, klar: Der Elektrotransporter wird für mindestens zwei weitere Jahre weiter von der Post hergestellt. Langfristig betrachtet wird sie jedoch sicher nicht zum Erzeuger für Kraftfahrzeuge umsatteln. Es werden mehrere, andere Möglichkeiten ins Auge gefasst. Grund ist, dass sich die Post schlicht zu keinem Produzent entwickeln möchte. Es ist stattdessen von einem Börsengang bis über verschiedene Beteiligungsformen von Partnern bis hin zu einem Verkauf alles möglich. Aber die „Erfolgs-Story des StreetScooters“ – so der O-Ton Appels, werde weitergeführt. Ab 2020 rechnet man außerdem mit Gewinnen.
Lange ließen Kooperationspartner nicht auf sich warten. Schon im September 2018 übernahm Ford die Produktion des „StreetScooters Work XL“ mit tausend Stück, die hausintern eingesetzt werden. Nach dem Muster des altbewährten Ford Transit werden, hier mit türkischen Zulieferern des Fahrgestells, in Köln-Niehl der elektrische Antrieb und Aufbau verarbeitet. Künftig steht der fertige „Work XL“ dann auch anderen Endkunden zur Verfügung. Der Service dieser Fahrzeuge wird übrigens von Ford selber betrieben.
Zweifellos wird auch die weitere Entwicklung für Schlagzeilen sorgen. Mittlerweile kann sogar der Privatkunde die StreetScooter persönlich testen: Über Bosch gelangten sie nämlich inzwischen an die Baumärkte zur Miete für den Endkunden. Kommt das Projekt gut an, befindet sich bereits ein Ausbau an andere Vermieter in Planung. Bezahlt wird mit einer Stundenpauschale, all inklusive. Auch Strom – Tanken ist ohnehin passe.